Feinschnitt Barcelona
Feinschnitt Barcelona
Übersetzt von Matthias Friedrich.
Originaltitel: „Picadura de Barcelona“ von Adrià Pujol Cruells.
Aus dem Katalanischen von Matthias Friedrich.
ISBN: 978-3-911336-00-0
Hardcover, ca. 250 Seiten.
Erscheint am 15. Januar 2024.
„Feinschnitt Barcelona gehört zu den Büchern, die einen bereichern und die man nach der Lektüre vermisst. Seit langem schon habe ich kein Buch mehr gelesen, das mir so viel Konzentration abverlangt und mir gleichzeitig in jeglicher Hinsicht so viel Freude bereitet hat.“
– Assum Guardiola, Revista de Girona, 2015
Die ungefilterte Chronik eines Heimwegs.
Eine milde Samstagnacht in Barcelona. Adrià macht sich auf den Heimweg, er raucht, trinkt Bier, und während er sich langsam zu Fuß zu seiner Wohnung begibt – schließlich muss er am nächsten Morgen arbeiten – lässt er seinen Gedanken freien Lauf. Er denkt nach über Gott und die Welt, vor allem aber über Barcelona, diese kaum zu fassende Metropole, die er als junger Student kennengelernt hat. Er analysiert die enttäuschten Hoffnungen nach den Olympischen Spielen 1992, geht mit Reizthemen wie der Gentrifizierung und dem Massentourismus ins Gericht, erinnert sich aber auch an seine eigene Geschichte. Er, selbst ein Außenseiter aus dem katalanischen Hinterland, blickt zurück auf seine Ankunft in der großen Stadt, seine Studentenzeit und ersten Jobs und fragt sich, welchen Platz er in diesem Gefüge einnimmt.
Feinschnitt Barcelona ist eine wilde Mischung aus anthropologischem Essay und autofiktionaler Erzählung. Dabei dient Pujol Cruells die Stadt als Kulisse für eine Vielzahl an Geschichten, Anekdoten und Theorien zwischen persönlichen Memoiren, Stadtbeschreibung und Stadtbeschimpfung.
Interview mit Übersetzer Matthias Friedrich zu seiner Arbeit an Feinschnitt Barcelona
Wie bist du auf dieses Buch gestoßen?
Anfang 2021 postete mein britischer Kollege Tiago Miller einen Auszug aus einem mir bis dato unbekannten Buch namens Picadura de Barcelona auf Twitter. Sein Kommentar dazu war (sinngemäß): “Und ich dachte, ich könnte Katalanisch!” Der Auszug machte mich neugierig: Es handelte sich um die U-Bahn-Szene, die lose an Dantes Hölle angelehnt ist. Also las ich das Buch, stellte mir aber dieselbe Frage wie Tiago: Wie um alles in der Welt kann man sowas übersetzen? Die konkrete Gelegenheit dazu erhielt ich, als der Verlag Fum d’Estampa ankündigte, dass bald das erste einer ganzen Reihe von Adrià Pujol Cruells’ Büchern auf Englisch erscheinen würde. Das hielt ich für eine gute Werbung, weshalb ich mich mit einem Textauszug beim Deutschen Übersetzerfonds bewarb, der u.a. Initiativstipendien für Projekte vergibt. Ich hatte Glück und bekam eins. Kurze Zeit später kam über eine Facebook-Gruppe der Kontakt zum damals noch in den Startlöchern stehenden Franken Verlag zustande.
Was war die größte Herausforderung beim Übersetzen?
Vom Titel bis zur letzten Zeile lässt einen das Buch nicht mehr los. Picadura verweist sowohl auf Tabak zum Selberdrehen als auch auf einen schmerzhaften (Insekten-)Stich, was ich als Feinschnitt Barcelona übersetze. Pujol Cruells schneidet den Kosmos Barcelona fein säuberlich auf und zeigt uns, was sich darunter verbirgt. Und während er uns erklärt, was diese Metropole im Innersten zusammenhält, raucht er eine Selbstgedrehte nach der anderen. Seine Analysen schöpfen oft aus dem eigenen Leben, sind aber nie nur schmucklose Erörterungen. Er schöpft nämlich aus einem
großen literarischen Werkzeugkasten, den er sich als Übersetzer von u.a. Georges Pérec
erarbeitet hat. Um mit einem Autor Schritt zu halten, der das Ideal hat, jedes einzelne Wort der katalanischen Sprache zu verwenden, habe ich regelmäßig acht bis zehn Wörterbücher gleichzeitig konsultiert, damit der Reichtum des Originaltextes auch in meiner Version durchklingt, und auch eine ganze Menge selber erfunden, z. B. ein Barockgedicht, das ich in die Neunziger verpflanzt habe, eine Kunstsprache, die an das für Barcelona charakteristische Gemisch von Spanisch und Katalanisch angelehnt ist, und noch einiges mehr.
Für wen könnte "Feinschnitt Barcelona" eine interessante Lektüre sein?
Grundsätzlich für alle, die dort Urlaub machen wollen, wobei das Buch natürlich keine
Reiseanleitung ist, eher das Gegenteil: Bleibt uns bloß vom Leib! Da, wo Thomas Bernhard in seinen Städtebeschimpfungen aufgehört hat, macht Adrià Pujol Cruells nämlich einfach weiter.
Zwar ist er sarkastisch, aber nicht so grimmig und vor allem nicht österreichisch: Er nimmt die Probleme Kataloniens mit mediterraner Gelassenheit, ist sich aber auch nicht zu schade, wirklich mal seine Meinung zu sagen. Daneben ist Feinschnitt Barcelona auch eine vorzügliche Einführung
in die katalanische Literatur und ihre lange Tradition von Erinnerungsbüchern. Wer Josep Plas Das graue Heft mag, dem wird auch dieses Buch zusagen, und wer Großstadtbetrachtungen à la
Walter Benjamin etwas abgewinnen kann, erst recht. Wer aber einfach nur nach einem etwas anderen Blick auf eine der meistbereisten Städte der Welt sucht, wird nicht enttäuscht. Kurz, es
ist für alle etwas dabei, die sich irgendwie für Barcelona interessieren.
Adrià Pujol Cruells
Adrià Pujol Cruells, 1974 in Begur geboren, ist Anthropologe, Schriftsteller und Übersetzer. Als Autor hat er Romane, Erzählungen, Memoiren, Essays und ein Kinderbuch veröffentlicht, darunter zuletzt die sprach- und literaturkritischen Essays O no und I si (Arcàdia, 2024 und 2022), Els llocs on ha dormit Jonàs (Editorial Empúries, 2021), einen Roman über Computerspiele, den Erzählband Alteracions (Editorial Malesherbes, 2013), den Erinnerungsband Escafarlata d’Empordà (2011) und das Kinderbuch L’embús (2018). Für seine Übersetzung von George Perecs La Disparition (dt. Anton Voyls Fortgang) erhielt er 2018 zwei Preise – den Premi Crítica Serra d’or und den Premi Manuel Serrat Crespo.
Autorenfoto: © Víctor P. de Óbanos
Matthias Friedrich
Matthias Friedrich wurde 1992 in Trier geboren. Er studierte von 2012 bis 2015 Kreatives Schreiben in Hildesheim (B. A.) und von 2015 bis 2018 Kultur/Interkulturalität/Literatur mit Schwerpunkt Skandinavistik (M. A.) in Greifswald. Seitdem arbeitet er als freischaffender Literaturübersetzer aus dem Norwegischen, Dänischen, Schwedischen, Katalanischen. Außerdem Tätigkeiten als Kritiker, u. a. für TraLaLit und 54books. 2016 veröffentlichte er den Lyrikband kleine thanatoiden (Sukultur 2016).